Norwegen

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Menschen, die im Austausch mit einem Gebäude und seinen Daten stehen – das klingt immer noch futuristisch. Building Information Modelling (BIM) heißt dieser junge Ansatz für die datenbasierte Errichtung und Instandhaltung von Gebäuden. Er bietet nicht nur Planern und Immobilienunternehmen, sondern auch Mietern große Vorteile.

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öffentliche Krankenhäuser
und weitere Institutionen für medizinischen Service gehören zu Helse Vest. Der norwegische Konzern hat seinen Sitz in Stavanger und leistet die medizinische Betreuung für rund eine Million Menschen.

Wenn Sean Aasheim beschreiben soll, was die Gebäudedatenmodellierung als Methode herausragend macht, dann braucht der Projektleiter des norwegischen Aareon-Unternehmens Incit AS in Oslo nicht viele Worte: „Kontrolle, Übersicht, korrekte Größen und Preise.“ Building Information Modelling (BIM) ermöglicht Planung, Bau und Bewirtschaftung von Gebäuden mithilfe eines dynamischen 3D-Modells. Bereits während der Projektierung und der Bauphase werden Informationen zu Konstruktion, Materialien und Installationen in die Software eingepflegt. Werden Daten ergänzt oder aktualisiert, dann verändert sich automatisch die Visualisierung. Das heißt: Während früher Bauzeichnungen aufwändig korrigiert werden mussten, erstellt BIM eine umfassende, dynamische Neuberechnung. Der Vorteil: Termin- und Kostensicherheit sowie Rechtssicherheit in punkto Nachweispflichten.

In Deutschland und vielen anderen Ländern ist BIM noch kein Standard. Die Immobilienwirtschaft in Skandinavien arbeitet schon länger damit. Der bedeutende norwegische Gesundheitsversorger Helse Vest, zu dem Krankenhäuser und weitere Institutionen für medizinischen Service gehören, verwendet eine Software von Incit. Deren volles Potenzial wird noch nicht genutzt – eine Ausweitung ist aber in Planung, wie Abteilungsleiterin Gro Jofrid Aarli berichtet:

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Welche Erfahrungen haben Sie mit BIM gemacht?
Aarli: Wir haben vor einigen Jahren angefangen, Neubauten zu „BIMen“. Mittlerweile werden auch große Umbau- und Renovierungsprojekte mit BIM erstellt. In der Verwaltung arbeiten wir noch nicht damit, aber wir haben ein Projekt zur Entwicklung einer BIM-Strategie ins Leben gerufen. Ziel ist, die Daten aus dem Bauprozess stärker zu nutzen. Nach Abschluss der Implementierung der ERP-Lösung Incit Xpand im April 2017 möchten wir gemeinsam mit den Experten von Incit prüfen, wie wir noch mehr Informationen aus dem BIM-Modell in Incit Xpand integrieren können.

Incit Xpand ist ein System für die Immobilienverwaltung und -bewirtschaftung, in das die gesammelten BIM-Daten automatisiert überführt werden können. Das geschieht via Industry Foundation Classes (IFC), dem führenden offenen Standard für die Speicherung und Überführung von Gebäudemodellen. Auf diese Weise erhalten Immobilienverwalter korrekte und einheitliche Daten ohne das Risiko von manuellen Übertragungsfehlern. „Der Xpand-Nutzer kann das BIM-Modell in 2D in einem eigenen Modul, aber auch in Relation zu anderen Modulen ansehen. Zum Beispiel könnte er ein bestimmtes Gebäude markieren und sich daneben den Putzplan aufrufen“, erklärt Aasheim.

Die Zukunftspotenziale von BIM liegen für ihn auf der Hand: mehr Effizienz und Dynamik. Dabei geht es dem Incit-Experten nicht nur um die dynamische Anwendung in der Planungs- und Bauphase, sondern auch um die Verwaltung sowie die Vernetzung aller Beteiligten. Verbaute Sensoren können beispielsweise anstehende Wartungen oder Mängel direkt dem System melden. Je mehr ein Verwalter über den Zustand seiner Anlagen weiß, desto besser kann er Instandsetzungsaufträge vergeben. Der beauftragte Handwerker freut sich über exakte Informationen zum Auftrag, während der Mieter oder Eigentümer vom gepflegten Zustand der Objekte profitiert.

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Wie hat sich Ihr Arbeitsalltag verändert?
Aarli: Durch BIM haben wir eine bessere Kontrolle über unsere Gebäude und Bauprojekte. Das technische Personal beispielsweise kann alle Informationen zu den Objekten ganz einfach mit einem Klick abrufen. Die Mitarbeiter erhalten Installationsbeschreibungen, Produktinformationen und vieles mehr zum jeweiligen Objekt.

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Wie hat sich die Vernetzung intern und extern verändert?
Aarli: Wir können Planern viel detaillierteres Feedback geben und arbeiten generell enger miteinander. Zum Beispiel sind in unseren vier Krankenhäusern Sensoren verbaut. Diese sind zwar noch nicht mit Xpand verknüpft, aber sie speisen eine gemeinsame Datenbank. So können sich die Mitarbeiter effizienter austauschen.

Norwegen ist zwar generell technologisch weit entwickelt. Dass speziell BIM etablierter ist als in vielen anderen Ländern, liegt an einem Wissenstransfer: BIM und IFC sind in der Ölindustrie seit Langem üblich. Deren Wissen und Erfahrung mit diesen Anwendungen machen sich immer mehr andere Industrien zunutze. „Wegen der Steuergesetze in Norwegen müssen die Wohnungsbaugesellschaften BIM anwenden, um die volle Kontrolle über die Gebäude zu haben. Man kann dadurch mit realistischen Preisangaben arbeiten und viel Geld bei Bauprojekten sparen“, sagt Aasheim.

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In Norwegen hat man viel Erfahrung mit BIM. Welche Perspektive sehen Sie?
Aarli: Bei uns verwenden größere Immobilieneigentümer und -verwalter meist Managementsysteme, die Informationen nicht elektronisch aus Gebäudedatenmodellen abrufen können. Dies ist unsere größte Herausforderung. Wir glauben, dass Incit und Aareon die Chance haben, in diesem Bereich vorwegzugehen, indem sie Incit Xpand weiterentwickeln. Bei Bauprojekten wird BIM sicher noch intensiver genutzt werden. Auf längere Sicht sehen wir auch, dass unsere Mieter und Gebäudenutzer 3D-Modelle anstatt Zeichnungen bekommen, wenn wir einen Eindruck von einem laufenden Projekt geben wollen. Für die Gebäudedatenmodellierung können wir uns also zahlreiche Anwendungen vorstellen.

 Lesen Sie mehr über die Potenziale von BIM in einem Experten-Interview im AareonMAG:
Die Zukunft: digital geplante Wohnungen
Werden schon in der Projektierung und in der Bauphase Daten in die BIM-Software eingepflegt, dann kann später die Verwaltung darauf effizient aufbauen.
Fotos: Thinkstock